Ist wirklich immer Hi-Res drin wo Hi-Res draufsteht?

Erstellt von:
14 September 2015
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Macht es Sinn immer die Hi-Res Variante eines Albums bei Qobuz, HD-Tracks & Co herunter zu laden? Nach den Download-Anfängen mit datenreduzierter Musik ist es begrüssenswert, wenn das Angebot an hervorragender Qualität zunimmt. Aber leider gibt es auch da Stolpersteine.

Zuerst einmal was heisst eigentlich Hi-Res Audio? Wenn wir von unserer Audio-CD ausgehen kennen wir die Parameter 16Bit/44.1 kHz als Definition. Was bedeuten diese? Wir haben es hier mit einer digitalen Wortlänge von 16 Bit und einer Abtastfrequenz von 44.1 kHz zu tun. Mit den 16 Bit können wir auf einer CD eine Dynamik von 96dB und mit den 44.1 kHz einen Frequenzumfang bis 22.05 kHz abbilden (Nyquist Theorem). Weitergehende Informationen dazu in unserem Blog Digital Basics: vergessen Sie Treppen und Löcher zwischen den Samples.

Das menschliche Hörvermögen und der Frequenzumfang der Instrumente sind der Massstab

Was heisst das bezogen auf den menschlichen Hörbereich? Der Mensch kann in jungen Jahren Frequenzen bis 20 kHz wahrnehmen. Mit zunehmendem Alter verlieren wir allmählich die Fähigkeit solch hohe Frequenzen hören zu können. Das nimmt kontinuierlich ab bis auf 10 bis 12 kHz, was aber nur einem 10%igen Hörverlust entspricht.  Der Dynamikumfang wird vom Genre der Musik bestimmt. Im Pop-Bereich ist der Dynamikumfang der Musik nicht sehr gross und bewegt sich so im Rahmen von 20 bis 30dB. Mehr dazu in unserem Blog Verstümmelte Musik: wie Dynamikkompression und Datenreduktion die Musik verändern. Im Vergleich zur Klassik wo man locker mit einem grossen Sinfonieorchester einen Dynamikumfang von 90dB und mehr erreichen kann.

hi-res-audio-thumb-225x223-12632Als gängige Regel wird alles oberhalb von 16Bit/44.1kHz als Hi-Res bezeichnet. Hochauflösende Formate sind 24Bit/88.2kHz, 96kHz oder 192kHz. Mit 24 Bit lässt sich  eine Dynamik von 144dB abbilden und mit den genannten Abtastfrequenzen können Frequenzbereiche bis 44.1, 48, oder 96kHz dargestellt werden. Also weitaus mehr als dass wir fähig sind zu hören. Auch die Instrumente produzieren die meiste Energie unterhalb von 10kHz, ihre Obertöne können bis 30kHz reichen allerdings mit nur noch sehr geringen Pegeln.

Welches von diesen Formaten macht nun am meisten Sinn? Ideal ist 24Bit/96kHz. Mit dieser Auflösung sind wir für alle Bereiche auf der sicheren Seite, da wir damit genügend Dynamikumfang und auch einen genügend grossen Frequenzbereich abdecken können. Aus dieser Betrachtungsweise ist es auch klar, dass eine höhere Frequenzauflösung wenig Sinn macht, da im Frequenzspektrum von 48 – 96 kHz keine irgendwie verwertbaren Töne mehr vorhanden sein können.

Wird heutzutage eine neue Tonaufzeichnung gemacht, so geschieht dies selbstverständlich auf dem digitalen Weg. Es ist möglich, dass im Studio für die Aufzeichnung und das Mastering eine noch grössere Auflösung verwendet wird. Dadurch werden der Spielraum und die Sicherheitsmarge grösser. Denn im digitalen Bereich führt eine allfällige Übersteuerung sofort zu extremen Verzerrungen und dies muss unter allen Umständen vermieden werden. Hier ist es selbstverständlich angebracht diese gute Qualität auch in Hi-Res anzubieten und dann z.B. mit Classé Elektronik und den neuen 800 Series Diamond Lautsprecher von Bowers & Wilkins vollumfänglich geniessen zu können.

Anders verhält es sich mit historischen Aufnahmen aus den 50er bis 80er Jahren. Damals arbeitete man mit den guten alten Tonbandmaschinen. Dies waren natürlich spezielle Studiomaschinen welche mit bis zu 76cm/s Geschwindigkeit arbeiteten und damit Frequenzen bis zu 22kHz (Studer A807; +/-2dB) aufzeichnen konnten. Die Topmaschinen konnten einen Dynamikumfang bis maximal 75dB, mit Dolby A bis 85dB erreichen, danach war endgültig Schluss.

Es ist durchaus lobenswert, wenn all die hervorragende Musik von den alten Legenden sowohl im Jazz- wie auch im Klassikbereich wieder in einer guten Qualität auf den Markt gebracht wird. Und dass die Fehler und Eigenheiten der damaligen Technik in den Aufzeichnungen in der digitalen Domäne teilweise ausgebügelt werden können ohne wieder neue Mängel hinzu zu fügen.

Werden heute solche Aufnahmen in den Studios digitalisiert und dann remastered macht es natürlich Sinn in diesem Prozess auch die heutigen digitalen Standards wie zum Beispiel 24Bit/96kHz zu verwenden. Damit hat man in der Bearbeitung genügend Reserven. Aber wenn wir, wie vorher beschrieben, die damals möglichen Parameter der alten analogen Masterbänder anschauen, macht es kaum Sinn diese Remasterversionen in einem Hi-Res Format anzubieten.

Als Beispiel soll uns das  Album „In the wee small hours“ von Frank Sinatra aus dem Jahre 1955 dienen. Es gilt als das erste Konzeptalbum bei dem die Titel des Albums untereinander Bezug nehmen und als Gesamtkunstwerk verstanden werden kann. Arrangiert und dirigiert wurde das Balladen Album von Nelson Riddle. Das Album ist das jazz-lastigste Werk von Frank Sinatra. Die Aufnahmen wurden im Februar und März 1955 mit einem ausgewählten Publikum gemacht um die gewünschte „Nachtklub Atmosphäre“ zu erreichen.

Diese Einspielung wird nun als Hi-Res Version mit 24Bit/96kHz oder sogar als 24Bit/192kHz angeboten zu einem wesentlich höheren Preis als die normale 16Bit/44,1kHz CD-Version, dann muss man sich schon die Frage stellen wofür man denn den Mehrpreis bezahlt.

Frank Sinatras Album „In the wee small hours“ aus dem Jahre 1955:

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Angebot bei Qobuz.com:

16Bit/44.1kHz    € 12.99
24Bit/192kHz     € 17.48

Angebot bei HD Tracks:

24Bit/96kHz       $ 17.98
24Bit/192kHz     $ 24.98

Die Frequenzanalyse bringt es an den Tag

Da die technischen Werte einer Bandmaschine in Bezug auf Frequenzumfang, Dynamik, Kanaltrennung, Linearität und Gleichlauf die des 16Bit/44.1kHz Formats nicht übersteigen, stellt sich die Frage, ob ein Release in einem Containerformat von 24/96 oder 24/192 überhaupt Sinn macht.

Analysieren wir das Stück „What Is This Thing Called Love“ aus dem erwähnten Sinatra Album. Die Mono-Aufnahme aus dem Jahre 1955 entstand also noch vor der Markteinführung der Stereophonie.

Hier das Spektrum der 16Bit/44.1kHz Version:

frank-spektrum-44-1khzDas Frequenzspektrum reicht knapp über 16kHz hinaus. Die Spitzen bei 18kHz tauchen bereits in den Rauschteppich ein, typisch für Bandmaschinen der 50er Jahre. Der Dynamikumfang des eher ruhigen, getragenen Stückes liegt bei rund 45dB, die Neuauflage des Albums zeigt einen erfreulichen Dynamikrange Wert von 12.

Das Spektrum der 24Bit/96kHz Version:

frank-spektrum-96khzDas Spektrum der 24Bit/96kHz Variante bietet mehr Rauschen fürs Geld, aber keine klanglichen Mehrinformationen. Der potentiell auf 48kHz erweiterte Frequenzumfang bleibt ungenutzt. Die höhere Abtastrate von 96kHz bringt auch nicht mehr Informationen weil die Samples näher beieinander liegen – wie Sie im Blog „Digital Basic“ nachlesen können.

Hier der Vergleich der Hüllkurven von 44.1kHz und 96kHz Variante:

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Beide Kurven zeigen den gleichen Verlauf, da in beiden Containern das gleiche Frequenzspektrum vorhanden ist.

Wie sieht es nun mit der 192kHz Variante aus, welche wir eigentlich ausser Acht lassen könnten, da 96kHz schon keinen Mehrnutzen gebracht hat. Schauen wir trotzdem rein:

frank-spektrum-192khzDer Rauschteppich bricht bei rund 40kHz ab, dann kommt nichts, absolut nichts, ausser zwei Störfrequenzen bei ungefähr 72kHz und 78kHz. Die Störpegel reichen bis auf -60dB hinauf.

Hier ein Vergleich der 96kHz und 192kHz Varianten:

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96kHz Samplingfrequenz

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192kHz Samplingfrequenz
Die Hüllkurve zeigt bei genauer Betrachtung auch Unsauberkeiten im Signalverlauf.

Fazit: Dieses Album bietet in der preiswerten 16Bit/44.1kHz Variante (CD) vollen Genuss. Der Mehrpreis für die Hi-Res-Versionen ist nicht gerechtfertigt. Bei der teuren 192kHz Variante kriegt man noch Störgeräusche als Zugabe. Diese Störgeräusche sind nicht hörbar und kein Lautsprecher könnte sie reproduzieren. Allerdings können diese Störfrequenzen in den Elektronikkomponenten Effekte hervorrufen, die in den Hörbereich gelangen (Intermodulationen, Interferenzen). Ebenso lässt sich nicht völlig ausschliessen, dass der Rauschteppich gewisse Effekte hervorrufen kann. Gehörmässig klingen alle drei Varianten über die hochwertige Abhöranlage des Autors (Classé/Bowers & Wilkins/Sonata Server) absolut gleich.

Nicht immer ist Hi-Res drin, wenn Hi-Res drauf steht. Ein Kilo Mehl in einem 2 Kilo Sack wiegt trotzdem nur 1 Kilogramm.