Ist Music Streaming die perfekte Lösung für unbegrenzten Musikgenuss?
Wer vor 200 Jahren Musik hören wollte, musste selber ein Instrument spielen oder ausser Haus einer Live Darbietung beiwohnen. 100 Jahre später kratzten Trichtergrammophone Töne aus Schellackplatten. Musik als flüchtiges akustisches Ereignis war jetzt in gespeicherter Form dauerhaft verfügbar. Der Besitz von Tonträgern erlaubte es jedem seine Musik bei Bedarf zu Hause zu hören. Wann immer und so oft man wollte. Und heute? Musik besitzen – nicht nötig! Musik nur zu Hause zu hören – wer lebt noch mit dieser Einschränkung? Musik Streaming ist der dritte radikale Umbruch in der Art und Weise wie wir Musik hören und nutzen. Neue Möglichkeiten und Freiheiten haben auch immer ihren Preis und man muss mit den veränderten Möglichkeiten zurechtkommen.
Musik Streaming – Jeder Song auf Abruf
Mit einem Streaming Abo bei Spotify, Tidal oder Qobuz hat man Zugriff auf 10 bis 25 Millionen Songs, die bei Wiedergabe vom Server des Anbieters gespielt werden. Man hat weder einen Tonträger in der Hand noch besitzt man die Musik – man mietet sie. Wer Werbung nicht als Störfaktor empfindet, kann das Ganze sogar kostenlos haben (z.B. Spotify Free Abo). Für eine monatliche Gebühr im Bereich von 10 und 30 Franken steht dann eine immense Fülle von Alben und Künstlern zur freien Verfügung, spielbar auf jedem Gerät mit Internet Zugang auf dem die Benutzeroberfläche des Dienstes läuft.
Das alles klingt verlockend und beeinflusst die Art der Musiknutzung nachhaltig. Auch die Wertschätzung gegenüber der intellektuellen Leistung eines Künstlers, Songwriters oder Komponisten verändert sich drastisch. So erhält der Künstler den Bruchteil eines Rappens/Cent pro Stream. Ein Song muss somit mehrere zehntausend Mal gespielt werden, bevor sich auch nur ein einigermassen vernünftiger Ertrag auf der Künstlerseite einstellt. Auch die Streaming Anbieter arbeiten selten bis nie profitabel. Spotify – der grösste Anbieter – weist jedes Jahr höhere Nutzer- und Umsatzzahlen aus, aber auch der Verlust steigt stetig, der Ertrag pro Stream sinkt.
Suchen oder finden
Doch dies ist nur einer der Aspekte die ein Nutzer eines Streaming Abos bedenken muss oder sollte. Eine weit zentralere Frage ist, wie man sich in dem riesigen Angebot zurechtfindet. Sicher, man kann mit der Suchfunktion gezielt suchen. Aber seine Sammlung schnell mal durchsehen, wie dies zur Zeit der Schallplatte oder CD üblich war, geht nicht. Es hat einfach zu viel und die Gliederung der Alben ist oft nicht korrekt oder vermischt mit Anderem. Man verbringt viel Zeit mit suchen, entdeckt dafür aber auch unbekanntes, erweitert seinen Horizont. Das Herumexperimentieren in bislang fremden Genres kann Schätze heben. Doch wie organisiert man dann seine Favoriten? Die übliche Playlistensammlung beginnt zu wachsen, was auf die Dauer weder clever noch befriedigend ist aber einigermassen funktioniert – sofern man keine hohen Ansprüche stellt. Es verwundert nicht, dass die Streaming Dienstleister mit Playlistenvorschlägen, Gruppierungen und dynamisch generierten Listen mit artverwandten Alben dem Hörer die Auswahl erleichtern wollen.
Streaming Dienste, Download Sites und auch Music Server organisieren die Darstellung der Alben anhand von Metatags, respektive Datenbankeinträgen. Die jedem Musikstück zugeordneten Informationen über Albumname, Stücktitel und Nummer, Interpret, Komponist, usw. werten die Bedienoberflächen (GUI) aus und erzeugen so Ansichten der Alben in Listenform oder als Coverflow. Inkonsistente und falsche Metadaten ergeben dann auch falsche Darstellungen und Listings. Wiederveröffentlichungen einer Aufnahme unter einem neuen Label, Best-of-Alben, Remaster und Compilations machen das Angebot auch im Pop und Jazz Bereich zunehmend unübersichtlich. Bei Klassik mit den vielen Einspielungen des gleichen Werkes war diese Unübersichtlichkeit durch das redundante (aber nicht zwingend überflüssige) Angebot schon immer vorhanden. Ein smarter Music Server wie der Aria bietet hier eine wesentlich bessere und nachhaltigere Struktur. Metadaten lassen sich hier anpassen oder gar neu erfassen umso eine klare Struktur mit mehreren Gliederungsebenen der Alben Darstellung zu erzeugen.
Bild 1a: Qobuz – Liste der Jethro Tull Alben. Diese stehen als Download oder im Streaming Abo zur Verfügung. Grösser: auf Bild klicken.
Bild 1b: Jethro Tull Alben geordnet auf dem Aria Music Server. Grösser: auf Bild klicken.
Bild 1c: Nochmals Jethro Tull auf dem Aria Server. Ein Klick auf den Albenstapel „Thick as a Brick“ listet die verschiedenen Veröffentlichungen und Remaster auf. Grösser: auf Bild klicken.
Bild 2a: Qobuz. Beethoven Symphonien. Man kann mit kombinierten Stichwörtern z.B. „Beethoven“ und „Symphonie“ suchen. Beethoven hat 9 Symphonien komponiert. Diese sind in hunderten von Aufnahmen verfügbar. Aufnahmen aus allen Epochen der Tonaufzeichnung. Das Angebot ist entsprechend gross, eine brauchbare Übersicht ist schwer herzustellen. Grösser: auf Bild klicken.
Bild2b: Auf dem Aria Server befinden sich insgesamt 28 Alben mit Beethovens 9 Symphonien. Sechs verschiedene Aufnahmen, Orchester und Dirigenten. Die Alben sind thematisch entsprechend gruppiert. Grösser: auf Bild klicken.
Bild2c: Ein Klick auf den Albenstapel „Zinman 1-9“ listet die 5 Alben dieser Gesamteinspielung. Grösser: auf Bild klicken.
Eines Tages ist Schluss!
Und am Tag an dem das Abo endet oder der Streaming Dienst mit seinen Schulden untergeht ist die Musik weg, die sorgsam angelegten Playlisten nutzlos oder verschwunden – das Geld sowieso. Es sind zurzeit (Juli 2016) Gerüchte im Umlauf, Apple beabsichtige Tidal zu kaufen. Tidal hat sich in erster Line der Qualität verschrieben und bietet Streaming in verlustfreier CD Qualität. Zudem verspricht Tidal auch bessere Erträge für die Künstler. Eine Branche die in der Verlustzone arbeitet ist volatil. Plötzlich verschwinden Alben aus dem Angebot, wenn ein Lizenzinhaber die Spielrechte zurückzieht. Einer frisst oder verdrängt den Schwächeren. Alle Anbieter dürften den Konkurrenzkampf nicht überleben. Mit Fusionen und Konkursen muss gerechnet werden.
Bild 3: Wachsende Nutzerzahlen und wachsende Verluste: auf die Dauer ist ein Unternehmen so nicht lebensfähig. Grösser: auf Bild klicken.
Wie steht es mit der Klangqualität?
Mit Smartphone und Earbuds dürfte die Frage nach der Klangqualität müssig sein, aber auf der heimischen Anlage ist MP3 zu schlecht und auf einer High-End Anlage unbrauchbar. Somit kommt für die audiophile Community nur ein Premium Abo in CD Qualität in Frage. Doch auch Streaming in CD Qualität ist klanglich nicht unbedenklich. Tests mit Qobuz und Tidal auf unterschiedlichen Geräten haben hörbare Unterschiede aufgedeckt. Dabei wurden identische Dateien verwendet. D.h. die verglichenen Alben stammten vom gleichen Anbieter, wurden als Kaufdatei auf den lokalen Server heruntergeladen. Danach wurde der Download mit der gestrammten Variante verglichen: Der Raum war eingeengter, Feindetails weniger präzis und auch tonal waren teilweise Unterschiede hörbar. Je nach Aufnahme waren die Differenzen mehr oder weniger ausgeprägt. Beeinflussend wirkte ebenfalls der Streaming Pfad. Streaming vom iPad über Airplay auf den Classé High End Vorverstärker CP-800 brachte leicht schlechtere Resultate als die Kabelverbindung über den Front-USB Anschluss. Weitere Tests mit in HiFi Geräten integrierten Streaming Clients sind im Gange – darüber später mehr.
Wie lässt es sich erklären, dass die gleichen Daten als Download lokal gespeichert anders klingen als die Live Stream Variante? Ohne technische Untersuchungen lässt sich natürlich nur vermuten, wo die Ursachen für die konsistent auf unterschiedlichen Anlagen gehörten Klangdifferenzen liegen. Man darf davon ausgehen, dass ob Download oder Stream immer die gleichen Daten ankommen, d.h. die Datenintegrität gegeben ist. Wäre dies nicht der Fall würde vieles was via Internet funktioniert problembehaftet sein: Banküberweisungen nicht Rappen/Cent genau sein oder das Geld auf dem falschen Konto landen, Word Dokumente wären nach dem Versand plötzlich fehlerhaft und auf den ausgedruckten Konzerttickets sind die Plätze nun nicht mehr alle nebeneinander. Somit müssen die Klangunterscheide zur Laufzeit entstehen also Fehler auf der Zeitachse. Und damit sind wir bei der uns hinlänglich bekannten Tatsache angelangt, dass unterschiedliche Gerätekonzepte und Preisklassen klangbestimmend sind.
Fazit: Die Frage ist nicht ob Download oder Streaming Dienst, sondern sowohl als auch. Wertvolle und wichtige Aufnahmen will man besitzen. Zudem ist die vom smarten Music Server erzeugte Bibliotheksstruktur besser. Besonders im Klassik Genre. Der flüchtige Sommerhit, der spätestens im Herbst zu nerven beginnt, wird idealerweise nur „gemietet“. Streaming erlaubt es Alben vor dem Download (Kauf) vollständig zu hören. Die 30 Sekunden Hörschnipsel welche die Download Sites üblicherweise zur Kaufentscheidung anbieten reichen oft für ein schlüssiges Urteil nicht. Qobuz bietet beispielsweise mit dem Sublime Streaming Abo 30% Rabatt beim Download von Hi-Res Alben an. So lässt sich zumindest ein Teil der Abo Kosten wieder zurückholen.
Anhang / Bildstrecke
Bild A1: Spotify – Jethro Tull Alben. Die Liste ist ziemlich vollständig. Keine Steve Wilson Remaster. Grösser: auf Bild klicken.
Bild A2: Spotify – Beethoven Symphonien. Magere Auswahl, keine vollständigen Premium Aufnhamen. Grösser: auf Bild klicken.
Bild A3: Spotify – Browser. Grösser: auf Bild klicken.
Bild A4: Spotify – Tidal Die Benutzeroberflächen gleichen sich. Grösser: auf Bild klicken.
Bild A5: Tidal – Browser. Grösser: auf Bild klicken.