Die Fragilität des analogen Audiotransfer in die digitale Domäne

Erstellt von:
14 Oktober 2015
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Viele historische Audioaufnahmen schlummern in dunklen Archiven vor sich hin. Diese musikalischen Schätze wurden noch traditionell mit Tonbandmaschinen aufgezeichnet. Üblicherweise wurde nur das Masterband – von welchem dann wieder Schallplatten hergestellt werden konnten – aufbewahrt, um im Bedarfsfall neue Schallplattenmatrizen und LP’s herstellen zu können.

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Masterbandarchiv von EMI

Die Schwierigkeiten diese alten Masterbänder in die digitale Domäne hinüber zu retten und die alten Einspielungen uns heute wieder zugänglich zu machen ist gar nicht so einfach wie man sich das denken könnte.

Als die CD 1983 Einzug hielt fand auch der Übergang von der analogen Studio-Produktion in die digitale Produktion statt. Dadurch wurden die analogen Tonbandmaschinen zunehmend durch digitale Maschinen und später durch Harddiscs ersetzt. Deshalb verschwanden diese Geräte immer mehr in den Abstellkammern und wurden später sogar entsorgt. Will man die alten Bänder wieder abspielen, dann benötigt man eine solche Studiomaschine. Diese sind zunehmend rar und viele kleine Studios haben weder die Maschinen noch das Kow How diese wieder lauffähig zu machen und entsprechend zu kalibrieren. Grosse Studios haben zum Teil noch Tonbandgeräte und Techniker, welche die Geräte wieder in einen Topzustand bringen können. Eines der bekanntesten Transferstudios ist das Abbey Road Studio in London. Die restaurierten EMI Einspielungen von Maria Callas sind beispielhaft digitalisiert und sind als 60 CD-Box und HD Download Remaster erhältlich. Hier haben die Abbey Road Spezialisten verblüffende Klangresultate erzielt.

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Eine Studer J37, sie war das Arbeitspferd der 60er Jahre in vielen Aufnahmestudios

Die Fragilität der Masterbänder

Alles beginnt wie so oft mit einer guten Quelle, im Maria Callas Beispiel das Masterband. Wie gut ist es erhalten und wurde das Band sorgfältig gelagert? Schon bei der Lagerung können Probleme entstehen. So ist es möglich, dass bei Bändern mit innenliegender Beschichtung Vorechos hörbar sind, wenn diese zurückgespult gelagert werden. Vorechos entstehen, wenn laute, stärker magnetisierte Bandstellen auf schwach magnetisierte Stellen des darunter liegenden Bandwickels durchkopiert werden (übersprechen). Diese Bänder sollten um dies zu minimieren nicht zurückgespult gelagert werden.

Bänder mit besonders feiner Beschichtung können durch die Lagerung dazu neigen an allem zu kleben, so auch an den Tonköpfen. Dadurch sind die Bänder nicht mehr abspielbar. Durch ein halbstündiges Backen bei 60 Grad Celsius im Backofen können diese Bänder wieder spielbar gemacht werden.

Die Bänder sollten vor allem auf offenen Wickeln und möglichst gleichmässig aufgewickelt sein, so dass keine Bandkanten vorstehen. Dies könnte im Laufe der Lagerzeit zu Bandwelligkeit führen, was wiederum einen reduzierten Band-Kopfkontakt erzeugt und in der Folge zu Lautstärkeschwankungen führt.

Die Fragilität der Studiotonbandmaschinen

Ideal ist, wenn das Masterband wieder auf demselben Bandmaschinentyp wie bei der Aufzeichnung abgespielt wird. Durch den Umstand, dass immer weniger dieser Studiomaschinen verfügbar sind, ist es umso wichtiger, dass die letztendlich noch vorhandene Studiomaschine sowohl mechanisch wie elektrisch in einem sehr guten Zustand ist. Ein wichtiges, mechanisches Kriterium ist ein präziser Bandlauf. Das Band darf weder nach oben noch nach unten weglaufen, sonst werden die Bandkanten geknickt. Ein so malträtiertes Band hat  reduzierten Band-Kopfkontakt , was zu Pegel- und Frequenzgangeinbrüchen führt. Ebenso ist der Bandzug ein wichtiger Faktor, der den Bandandruck und Bandabrieb beeinflusst.

Bei sehr alten Aufnahmen ist auch die Bandgeschwindigkeit ist ein heikles Thema. Denn bis in die fünfziger Jahre wurde die Bandgeschwindigkeit über die Netzfrequenz stabilisiert. Quarzstabile Geräte gab es damals noch nicht. Leider war aber die Netzfrequenz zu dieser Zeit nicht sehr stabil. Deshalb kann es bei diesen Aufnahmen zu Tonhöhenschwankungen kommen. Die genaue vertikale Ausrichtung des Kopfspaltes (Azimut) zum Band hin ist eine weitere kritische Einstellung, wenn nicht die wichtigste Einstellung überhaupt. Stimmt der Azimut nicht, dann sind sehr schnell negative Effekte hörbar. Verluste von hohen Frequenzen, Phasenfehler und eine nicht mehr vorhandene Mitte bei Stereowiedergabe wären die Folge.

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Einmessbänder für unterschiedliche Geschwindigkeiten

Elektrisch müssen der magnetische Fluss des Bandes und die Entzerrung wieder so übereinstimmen, wie dies damals bei der Aufnahmemaschine der Fall war. Hier kann mit einem Referenzband zunächst eine Voreinstellung auf einen Normwert eingestellt werden. Doch dann haben wir bereits ein weiteres Problem, da solche Referenzbänder heute nicht mehr einfach so erhältlich sind und alte Bänder auch zunehmend Mangelware sind. Bei guten Masterbändern sind am Anfang Testtöne aufgezeichnet, mit denen die Wiedergabeeinstellungen vorgenommen werden. Fehlen diese, müssen die optimalen Einstellungen in mühsamer Testarbeit, teilweise nach Gehör, ermittelt werden. Sollte bei der Aufnahme noch ein Dolby Rauschunterdrückungssystem im Spiel gewesen sein, müssen die Ausgangspegel der Tonbandmaschine genau beachtet werden und die Arbeitspunkte der Dolby-Entzerrer genau abgeglichen werden, sonst drohen deftige Frequenzgangabweichungen. Nicht genug: Auch bei der Entzerrung gab es zwei Normen. Eine amerikanische nach NAB und eine europäische nach CCIR/IEC. Sind diese Werte nicht richtig, stimmt der Frequenzgang im Hochtonbereich nicht.

Sind Masterbänder explizit zur Schallplattenherstellung hergestellt worden, muss die RIAA Schneidekennlinie berücksichtigt und korrigiert werden.

Es ist leider nicht so, dass fehlende Achtsamkeit in der analogen Welt danach einfach in der digitalen Domäne ausgebügelt werden könnte. Dort ist vieles möglich, aber eben nicht alles. Es ist besser die Sache von Anfang an korrekt zu machen, als im Nachhinein zu korrigieren (sofern das möglich ist). Nur wenn all die erwähnten Parameter möglichst optimal auf das Masterband einjustiert wurden und das Band in einem tadellosen Zustand ist, ist es möglich mit der Digitalisierung zu beginnen. Danach haben wir die Klagqualität und das Klangspektrum des analogen Bandes in digitalisierter Form und können nun mit dem Remastering beginnen. Hier stellt sich dann die kritische Frage: ist das Endresultat nach dem Prozess besser (restauriert und Fehler korrigiert oder entfernt) oder hat der Toningenieur zu viel manipuliert und den ursprünglichen Klangcharakter verbogen.

Auf diese möchte ich in einem nächsten Blogg eingehen.